Foto: Initiative Leidenschaft
Foto: Initiative Leidenschaft

Eine einmalige Handschrift, die ewig bleiben wird

Heute wird Norbert Thines 80 Jahre alt

19.08.2020

 

Für unzählige FCK-Fans ist er bis heute eine der prägendsten Figuren der jüngeren Vereinsgeschichte. Wobei er sich selbst im Fußballgeschäft gewiss nie als "Figur" gesehen hat. Eher angebracht wäre der Terminus "Mensch", denn alles was er je in seinem Leben anpackte hatte stets Züge von "Menschlichkeit". Gemeint ist Norbert Thines! Der ehemalige FCK-Geschäftsführer und FCK-Präsident, der am heutigen 19. August 80 Jahre alt wird! Ein stolzes Alter. Doch die zahlreichen Glückwünsche, die ihm heute zuteilwerden, wird er bedauerlicherweise wohl kaum wahrnehmen. Wegen einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung lebt der rührige und engagierte Macher von einst heute zurückgezogen in einem Pflegeheim in Kaiserslautern. Liebevoll umsorgt von seiner Frau Beatrix "Trixi" Thines sowie von seinen Söhnen Jörg und Eckehard. Unzählige Mitglieder seiner "FCK-Familie" werden heute zumindest in Gedanken bei ihm sein.

 

Es war stets seine honorige und väterliche Stimme, die einen unweigerlich in den Bann zog. "Thines", war das erste Wort, das bei einem Telefonat, aus seinem Mund gesprochen, meinen Gehörgang durchdrang. Langgezogen, am Ende erhaben intoniert, als wollte er seinem Namen ein unsichtbares Fragezeichen pointiert anfügen mit dem er eigentlich sagen wollte, "hier ist der Norbert, wer ist am anderen Ende der Leitung?" Das war im Frühjahr 1982. Unser gerade gegründeter FCK-Fanclub schickte sich an, eine verlorene Wette einzulösen und von der südpfälzischen Burg Berwartstein in Erlenbach bei Dahn zu einem FCK-Heimspiel nach Kaiserslautern zu wandern. Binnen einer Nacht, 62 errechnete Kilometer weit. Eine abenteuerliche und hirnrissige Idee? Nicht für Norbert Thines! "Do mache mer ebbes draus", war er sofort Feuer und Flamme, kümmerte sich um alles was half das Vorhaben und damit den FCK ins Rampenlicht zu rücken.

Foto: Matthias Gehring
Foto: Matthias Gehring

Die FCK-Fanclubs und deren Engagement waren ihm eine Herzensangelegenheit. Bei seinem ersten Engagement als FCK-Geschäftsführer setzte Norbert Thines ab 1977 einen Meilenstein. Er organisierte einen Fankongress, auf dem Fanclubs des 1. FC Kaiserslautern erstmals offiziell vom Verein anerkannt wurden. Was ihn allerdings auf Konfrontationskurs mit dem damaligen Präsidenten Willi Müller brachte. Doch seine Beharrlichkeit und sein Durchsetzungs-vermögen führten letztlich zum Erfolg, denn er erkannte, wie wertvoll die Anbindung von Fans an den Verein ist und so entstanden binnen kurzer Zeit die ersten 40 Fanclubs des FCK. Immer wieder motivierte Norbert Thines die Fans, sich mit den Fanclubs in ihren Ortschaften oder Regionen auch sozial zu engagieren und somit das Ansehen des FCK weit über die Grenzen Kaiserslauterns hinaus zu stärken. Legendär sind die Arbeitseinsätze, bei denen Norbert Thines von treuen FCK-Anhängern unterstützt wurde. Nicht minder legendär waren und sind bis heute die Hilfsaktionen, die er für bedürftige Menschen in Osteuropa organisierte und begleitete. In Orten, in denen der FCK damals UEFA-Cup-Spiele auszutragen hatte und in denen er mit der Notsituation der Einheimischen konfrontiert wurde.

 

Aber Norbert Thines sorgte sich in seiner aktiven Zeit am Betzenberg nicht nur um bedürftige Menschen und die Fans des FCK, sondern auch um die Spieler der Roten Teufel. Vor allem um die ausländischen Neuzugänge. Er brachte die Spieler nicht nur zu Sprachkursen, sondern führte schwedische Spieler wie etwa Ronnie Hellström und Benny Wendt auf Kappensitzungen zur Fastnacht in die Kunst der pfälzischen Mundart ein, begleitete die Spieler zu Fantreffen oder lud die Kicker zu sich nach Hause ein. "Niemand soll sich beim FCK alleine fühlen", das war stets das Motto von Norbert Thines. Er setzte auf Zusammenhalt in der Fan-Gemeinde und sorgte im Verein für eine freundliche familiäre Atmosphäre. Kein Wunder, denn niemand geringeres als Fritz Walter war immer sein großes Idol. Dessen Werte lebte der ehemalige FCK-Präsident immer wieder vor. Für den nimmermüden Norbert Thines waren beim FCK stets alle Menschen wichtig. Der einfache Fan genauso wie der Funktionär.

Foto: Archiv Thomas Butz
Foto: Archiv Thomas Butz

Eines seiner vielen "Markenzeichen", sein unkonventioneller Umgang mit komplexen Vorgängen oder kniffligen Herausforderungen wie einer Vertrags-verhandlung mit einem Spieler. Ein Teil einer einzigartigen Umgangskultur, die vielen im hektischen Fußballgeschäft heute längst verloren-gegangen scheint. Eine gute Gelegenheit sich durch die Persönlichkeit Norbert Thines ein Beispiel zu nehmen, dass es mitunter auch (wieder) anders gehen könnte. Eine andere besondere Facette von Norbert Thines, seine eigenwillige Kommunikationskultur! Über allem stand stets das persönliche Gespräch. Ein Telefonat ging grade noch so. Korrespondenzen über digitale Medien? Machte er nicht, wenn dann beantwortete diese seine Frau Trixi! Eine von Norbert Thines stets gern gepflegte Form der Kommunikation, der Brief! Er schrieb nicht einfach Briefe, er zelebrierte das Briefschreiben und stilisierte diese zu einem Kunstwerk. Das begann bei der Schönschrift und endete bei bebilderten Briefumschlägen. Da avancierte selbst die Platzierung der Postwertmarke zum Hingucker! Jeder, der schon einmal Post von Norbert Thines bekommen hat, wird dies bestätigen können. Eine in mehrfacher Hinsicht einmalige Handschrift, die ewig bleiben wird!

 

Sein ehrenamtliches Engagement am Betzenberg ist geprägt von "Triumph" und "Tragik". In der Saison 1989/1990 war der FCK in Abstiegsnot. Mit Kalli Feldkamp konnte im Februar 1990 eine herausragende Trainerpersönlichkeit gewonnen werden. Der schaffte mit der Mannschaft nicht nur den Klassenerhalt sondern sicherte dem FCK nach einem 3:2-Erfolg gegen Werder Bremen im Berliner Olympiastadion den ersten DFB-Pokalsieg. Nur ein Jahr später durfte Norbert Thines als Präsident des 1. FCK nach dem bravourösen Auftritt mit dem 6:2 in Köln die Meisterschale präsentieren und sich über den vielleicht größten Höhepunkt seiner Funktionärs-Laufbahn freuen, die dritte deutsche Meisterschaft des FCK. In den nachfolgenden Jahren rangierte der FCK immer wieder auf respektablen Tabellenplätzen und 1993 wurde mit dem aufwändigen Neubau der Nordtribüne eine wichtige Maßnahme eingeleitet, um den FCK wirtschaftlich konkurrenzfähig zu halten. Die Saison 1995/1996 wurde die bitterste für Norbert Thines. Der FCK musste erstmals seit Gründung der Bundesliga in die Zweite Liga absteigen. Der damals gesundheitlich angeschlagene Präsident wurde zum Sündenbock gestempelt und sah sich einer entwürdigenden Kampagne ausgesetzt. Am 9. Juli 1996 trat Norbert Thines von seinem Amt als Präsident zurück. Da war der wenige Wochen zuvor eingefahrene zweite DFB-Pokalsieg nur ein schwacher Trost.

Foto: Initiative Leidenschaft
Foto: Initiative Leidenschaft

Trotz der menschlichen Enttäuschungen, die Norbert hat erleben müssen, war er wieder zur Stelle, als der FCK in Not geraten war. 2003 war er gemeinsam mit prominenten Meisterspielern Mitinitiator der "Initiative Leidenschaft". Daraus ging im Frühjahr 2009 die Museumsinitiative mit ihm als Vorsitzenden hervor, die den FCK seither als Förderverein beim Aufbau und Betrieb des vereinseigenen Museums unterstützt. Den Vorsitz dort gab Norbert Thines im Dezember 2013 ab und wurde mit der Ernennung zum Ehrenvorsitzenden ausgezeichnet. Im Dezember 2013 wurde ihm der Goldene Ehrenring des FCK verliehen, drei Jahre später folgte die Ernennung zum Ehrenpräsidenten. Die Stadt Kaiserslautern verlieh ihm im Januar 2016 bei einem feierlichen Akt die Ehrenbürgerschaft. Eine Auszeichnung, die bis dahin nur der Landtagsabgeordneten Eugen Hertel und Fritz Walter hatten entgegennehmen dürfen. Zwischen 2011 und 2017 war Norbert Thines Mitglied des Ehrenrates beim FCK. Bei Heimspielen fungierte er als Betreuer für die Vereinsvorstände der jeweiligen Gastmannschaft. Norbert Thines übernahm auch politisch Verantwortung und gehörte dem Stadtrat von Kaiserslautern an. Sein tadelloser Name und seine Popularität kamen auch der Sozialeinrichtung "alt-arm-allein" zugute, die von ihm, der Rheinpfalz, der katholischen St. Marien-Gemeinde und der evangelischen Apostelkirchen-Gemeinde ins Leben gerufen wurde. Vor seiner Zeit beim FCK arbeitete er übrigens unter anderem sieben Jahre lang als Sekretär der Diözese des Bistums Speyer, während seiner Präsidentschaft war er als Repräsentant der Karlsberg-Brauerei tätig.

Foto: Initiative Leidenschaft
Foto: Initiative Leidenschaft

Norbert Thines hat in seinem Leben viel angepackt, viel umgesetzt, viel erreicht, was für manch anderen möglicherweise unerreichbar schien. Er hat dies stets mit stoischer Ruhe, mit einer geerdet unaufgeregten Art und mit nahezu unerschütterlicher Energie geleistet. Für Norbert Thines waren stets Lösungen wichtig. Für das Wort "Problem" wählte er viel lieber den Begriff "Aufgabe" und die galt es anzugehen. Der Name Norbert Thines steht jedoch nicht nur für zahllose gute Taten. Der Name steht auch und vor allem für Menschlichkeit. Ein Werteaspekt, der in diesen Zeiten so viel Bedeutung hat wie selten zuvor. Im Sommer des Jahres 2015 hatte sich Norbert Thines im Rahmen der Plakat-Aktion "Flüchtlinge Willkommen" bei der Initiative "Kaiserslautern ist bunt" ablichten lassen. Der FCK hatte das Bild aus der Plakat-Reihe des Fotografen Thomas Brenner im sozialen Netzwerk Facebook veröffentlicht und damit eine unwürdige Diskussion losgetreten. Die Pressestelle des FCK hatte alle Hände voll zu tun, sich zahlreichen unterirdischen Kommentierungen entgegenzustellen und die übelsten Beschimpfungen auch gänzlich wieder von der Tapete zu nehmen. Bezeichnend für Norbert Thines, dass für ihn hier wieder nur eines als Lösung in Frage kam, die Offensive mit einem angebotenen Dialog. Alle, die den Umgang mit Flüchtlingen und sein Engagement kritisieren, sollten mit ihm das Gespräch suchen."Jeder kann gerne zu mir kommen und versuchen, sich mit mir persönlich auszutauschen." Auf spätere Nachfrage, ob sich denn schon jemand zum Gespräch eingefunden habe, lautete die Antwort in honoriger Sprache mit knappen Worten, "keiner, niemand, net änner!"

Foto: 1. FC Kaiserslautern
Foto: 1. FC Kaiserslautern

Wer sich ein eindrucksvolles und umfassendes Bild über das Leben und Wirken des Norbert Thines machen möchte, dem sei die im Jahr 2015 erschienene Biographie des Journalisten Michael Dittrich "Mensch Thines. Ein Leben rund um den Betzenberg" empfohlen. 159 Seiten kurzweilige Erzählkunst geben Einblick in so manche rührige, nachdenkliche, aufwühlende, witzige, denkwürdige oder außergewöhnliche Geschichte und Begebenheit. Wer irgendwann mal das Glück und die Ehre hatte, in den Genuss zu kommen in Norberts (heiligem) Arbeitszimmer seinen unermüdlichen Erzählungen lauschen zu dürfen, flankiert von einer Flut von säuberlich und akkurat abgelegten Dokumentationen, der wird vieles besser verstehen, was schon an so mancher Stelle über diesen außergewöhnlichen Menschen geschrieben wurde. Vor allem aber wird jeder, der eine Begegnung dieser Art einmal erleben durfte, diese sicher nie wieder vergessen.

 

Zu seinem 80. Geburtstag gilt es diesem außergewöhnlichen Menschen, der stets aus tiefer christlicher Überzeugung und Menschlichkeit gehandelt und in zahlreichen Bereichen sehr viel Gutes bewirkt hat, für den stets der Mensch im Mittelpunkt stand, der für unsere Generation ein wirkliches Vorbild an Hilfsbereitschaft, aber auch Bescheidenheit geworden ist, Dank zu sagen und ihm grade wegen der angeschlagenen Gesundheit für seine weiteren Lebensjahre, Kraft und Energie zu wünschen.

 

mg

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