Foto: Archiv Eric Lindon
Foto: Archiv Eric Lindon

Der lange Weg der "Walz aus der Pfalz"

Hans-Peter Briegel feiert heute seinen 65. Geburtstag

11.10.2020

 

Von der Leichtathletik zum Fußball. Keine alltägliche Geschichte im Profisport. Es war der Beginn der Sportkarriere von Hans-Peter Briegel, der für den TV Rodenbach immerhin Jugendmeister im Weit- und Dreisprung geworden war und dem eine große Karriere als Leichtathlet offen zu stehen schien. Bereits im Jugendalter strahlte der ehrgeizige Kämpfer eine Physis aus, die weniger Leichtigkeit ausstrahlte und eher Athletik verkörperte. Für den sportbegeisterten Betrachter schienen diese Voraussetzungen nicht gerade prädestiniert, um sich dem populären Volkssport mit der runden Kugel zuzuwenden. Hans-Peter Briegel ging dennoch genau diesen Weg und ging als einer der bedeutendsten Fußballer in die lange Geschichte des 1. FC Kaiserslautern und der deutschen Nationalmannschaft ein. Heute wird die Walz aus der Pfalz 65 Jahre alt.

 

Seine Trümpfe waren sein kraftvoller Antritt und seine Schnelligkeit. Für einen Vertreter der Leichtathletik-Disziplinen Weit- und Dreisprung ein ideales Fundament und auch Ergebnis intensiver Trainingseinheiten. Doch Hans-Peter Briegel liebte auch das Fußballspielen und so ging er in seinem Heimatort im Alter von 17 Jahren auch für den SV Rodenbach auf Torejagd. Der junge Mann, der die 100 Meter in elf Sekunden absolvieren konnte, machte durch seine Schnelligkeit und seine Torerfolge bald auf sich aufmerksam. Der damalige FCK-Trainer Erich Ribbeck bekam einen Tipp, beobachtete den vielversprechenden Spieler mehrfach, erkannte dessen Stärken und Schwächen und holte ihn schließlich tatsächlich auf den Betzenberg.

 

Viele Jahre später gab ein Journalist zu Protokoll, die Karriere des Hans-Peter Briegel sei wie ein Märchen gewesen. Briegel widersprach dieser Auffassung. Er wusste, mit welchen Mühen, hohem Aufwand und mit wie viel Fleiß er sich alles erarbeiten musste, was den späteren Fußballhelden auszeichnete. Der Anfang, der Sprung von der A-Klasse in den Kader einer Bundesligamannschaft, war für den gelernten Maschinenbauer schwierig. Er musste im taktischen Bereich Vieles lernen, seinen von der Leichtathletik geprägten Laufstil ändern und die spielerischen Grundtechniken vervollkommnen. Nicht selten traf ihn Kritik seitens der Zuschauer, wenn ihm ein Ball versprungen war oder er das runde Leder nicht sauber unter Kontrolle halten konnte. "Oh Jesses, wie der die Fiees hebt", war einer von zahlreichen Sprüchen, mit denen man ihm anfänglich auch aus der Kurve heraus immer wieder Spott und Hohn vor die vermeintlich schwer koordinierbaren Treter warf.

Hans-Peter Briegels Abschiedsspiel am 26.09.1989 (Foto: Archiv Eric Lindon)
Hans-Peter Briegels Abschiedsspiel am 26.09.1989 (Foto: Archiv Eric Lindon)

Aber, er sollte alle Kritiker Lügen strafen! Glücklicherweise hatte der fußballerische Quereinsteiger in Erich Ribbeck einen geduldigen Lehrmeister - und zum Glück lernte er sehr schnell. Bald stellten sich Erfolge ein und ein im Raum stehender Wechsel zu Eintracht Trier war kein Thema mehr. Zunächst wurde Hans-Peter Briegel die Rolle eines Linksaußen zuteil. Brachte er es in seiner ersten Saison 1975/76 beim FCK auf sieben Einsätze in der ersten Mannschaft, waren es 1977/78 bereits 22 Bundesligaspiele. In dieser Zeit erfolgte die "Umschulung" vom Stürmer zum Abwehrstrategen. Aus der Abwehr heraus wusste Hans-Peter Briegel seinen kräftigen Antritt, seine Schnelligkeit und seine Ausdauer besonders gut einzusetzen und auch in seiner neuen Rolle brachte es der athletische, 1,88 m große Spieler dank seiner Sprungkraft bei Kopfbällen, seiner stetig perfekter werdenden Technik und seiner Schussstärke immer wieder zu Torerfolgen.

 

Dem Autor blieb zu seiner Kopfballstärke eine Szene aus einer Partie besonders in Erinnerung. Am 13.12.1980 empfing der FCK als Tabellendritter mit dem Aufsteiger Arminia Bielefeld den Tabellenletzten auf dem Betze. Vom Papier her eine klare Sache, doch die Arminen führten zur Pause bereits mit 3:0 und die 17.000 Zuschauer im Betzenberg-Stadion rieben sich verwundert die Augen. Im zweiten Durchgang folgten wütende FCK-Angriffe aufs Tor der Arminen und allen voran Hans-Peter Briegel trieb seine Mannschaftskameraden immer wieder an. Nach einer Ecke in der 70. Minute war es der athletische Hans-Peter Briegel, der in unnachahmlicher Manier die Bielefelder Hintermannschaft gefühlt um drei Kopflängen übersprang und das Leder per Kopf in die Maschen wuchtete. Mehr war an diesem Tag zwar nicht mehr drin, aber der Film zu diesem sprichwörtlichen Kopfstoß bleibt für ewig auf der neuralen Festplatte gespeichert.

Eintrittskarte zu Hans-Peter Briegels Abschiedsspiel (Foto: Archiv Eric Lindon)
Eintrittskarte zu Hans-Peter Briegels Abschiedsspiel (Foto: Archiv Eric Lindon)

Wie wertvoll Hans-Peter Briegel für den FCK gewesen ist, mag auch ein Beispiel aus der Saison 1979/80 verdeutlichen. In den Siebzigerjahren war Borussia Mönchengladbach ein Angstgegner des FCK, der gar zu oft die Punkte vom Betzenberg entführte. Am 22.09.1979 schien sich beim Gastspiel der Borussen in Kaiserslautern dieses Spiel zu wiederholen. Nach wenigen Minuten bereits konnte Ewald Lienen das 1:0 für Mönchengladbach erzielen. Doch dann stürmte in Gestalt von Hans-Peter Briegel die pfälzische Urgewalt über das Spielfeld und erzielte nach unwiderstehlichem Solo den Ausgleich. Fortan leistete Briegel nicht nur höchst effektive Abwehrarbeit, er unterstützte mit energischen Vorstößen immer wieder die Angriffsbemühungen seiner Mannschaft und am Ende mussten sich die damals mit Stars gespickte Borussen-Mannschaft mit 4:2 geschlagen geben. Übrigens, auch das Rückspiel in Mönchengladbach gewann der FCK! Mit einem klaren 3:0 und zu den Torschützen gehörte wiederum Hans-Peter Briegel. Besonders gerne erinnert sich der Fußball-Athlet auch an die hitzigen Begegnungen mit dem FC Bayern München, bei denen der FCK in jener Zeit so manchen Erfolg erringen konnte, auch in München. So zum Beispiel im Mai 1983 als Hans-Peter Briegel, ebenfalls mit einem Kopfballtor, den einzigen Treffer zum 1:0 Sieg des FCK im Münchner Olympiastadion markierte.

 

Auch beim DFB war man seinerzeit auf das Ausnahmetalent aufmerksam geworden. Nach sechs Einsätzen in der Amateur-Nationalmannschaft und zwei B-Länderspielen erfolgte 1979 die Berufung in die A-Nationalmannschaft. Ein Jahr später gehörte Hans-Peter Briegel der Nationalmannschaft an, die in Rom den Europameister-Titel holte. Sein Traum, einmal Weltmeister zu werden, erfüllte sich ebenso wenig, wie die Hoffnung, mit dem FCK Deutscher Meister zu werden. Unter Trainer Kalli Feldkamp erreichte der FCK in vier aufeinanderfolgenden Spielzeiten zweimal den 3. Tabellenplatz und landete zwei weitere Male auf Rang vier der Tabelle. Zum Titelgewinn reichte es leider nicht. In Erinnerung bleiben große Auftritte des FCK auf europäischer Bühne, gekrönt von dem sensationellen Sieg über Real Madrid, als die Roten Teufel die Königlichen mit 5:0 vom Betzenberg fegten und ins Halbfinale einzogen. Dort war gegen IFK Göteborg dann leider Schluss. Im Nachhinein war es für Hans-Peter Briegel ein schwacher Trost, 1982 und 1986 Vizeweltmeister geworden zu sein.

Foto: Der Betze brennt
Foto: Der Betze brennt

Nach seiner erfolgreichen Zeit beim FCK zog es den athletischen Fußballer 1985 nach Italien wo er vier Jahre lang mit Hellas Verona und Sampdoria Genua geradezu sensationelle Erfolge einfuhr. Mit Hellas wurde er gleich in seiner ersten Saison sensationell Meister der Serie A, der bis heute einzige Meistertitel der Veronesen. Bis heute wird Hans-Peter Briegel in Verona verehrt und ist bis heute dort eine noch immer gern gesehene Persönlichkeit. "Wenn ich heute durch Verona gehe, könnte ich vermutlich noch in jedem Haus zu Mittag und zu Abend essen. Eingeladen!" So beschrieb der einstige Star einmal seinen noch heute dort gepflegten Status als Idol. Für Hellas absolvierte er zwischen 1984 und 1986 immerhin 55 Spiele und schoss sich mit 12 erzielten Toren aber insbesondere mit seiner Einsatzbereitschaft, seiner beeindruckenden Soli und seines kantigen und kraftvollen Spiels auf technisch hohem Niveau auch in die Herzen der Italiener. So war es auch nicht überraschend, dass Hans-Peter Briegel 1985 in Italien auch "Fußballer des Jahres" wurde. 1986 verließ er Verona und schloss sich bis 1988 Sampdoria Genua an, mit der er in seiner letzten Spielzeit dort den italienischen Pokal holte. Die beiden Stationen in Italien rundeten die aktive Laufbahn des Fußballers Hans-Peter Briegel ab.

 

Für den FCK absolvierte Hans-Peter Briegel 287 Pflichtspiele in der Bundesliga (240), im UEFA-Cup (34) und im DFB-Pokal (13) und erzielte dabei in allen drei Wettbewerben 61 Tore, immerhin 47 davon in der Bundesliga. Rückblickend sind jedoch nicht nur seine einzigartigen Erfolge mit seinen FCK-Einsätzen, seine 72 A-Länderspiele mit dem Gewinn der Europameisterschaft 1980 und den beiden (leider verlorenen) Finalspielen um die Fußball-Weltmeisterschaft 1982 und 1986 sowie seine Erfolgen in Italien in Erinnerung geblieben. Es ist auch sein bemerkenswerter Weg vom erfolgreichen Leichtathleten zum überragenden Fußballspieler, der uns noch heute Respekt und Staunen abnötigt.

Trophäe zu Italiens Fußballer des Jahres 1985 im FCK-Museum (Foto: Initiative Leidenschaft)
Trophäe zu Italiens Fußballer des Jahres 1985 im FCK-Museum (Foto: Initiative Leidenschaft)

In den nachfolgenden Jahren war Hans-Peter Briegel als Trainer tätig, unter anderem in der Schweiz, in Wattenscheid, in der Türkei und vier Jahre als Nationaltrainer von Albanien. Wechselreich verliefen seine Engagements zunächst als sportlicher Leiter und 2002/03 als Mitglied des Aufsichtsrates beim FCK, und bis heute ist Hans-Peter Briegel ein gern gesehener, fachkundiger Gast im Stadion und bei Veranstaltungen im FCK-Museum.

 

Zu seinem 65. Geburtstag gratulieren Hans-Peter Briegel, der die Tradition eines Fritz Walters und all der anderen Helden von Bern als fairer, bescheidener Sportsmann und großartiger Fußballspieler vorbildlich weitergeführt hat, alle Fans und Freunde des 1. FC Kaiserslautern sowie das gesamte Museumsteam und wünschen ihm für die Zukunft beste Gesundheit, Glück und Zufriedenheit.

 

mg/hw

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