Foto: 1. FC Kaiserslautern
Foto: 1. FC Kaiserslautern

Der „Spargeltarzan“ feiert runden Geburtstag

Der ehemalige Spieler und Trainer des FCK Hannes Bongartz wird 70

03.10.2021

 

Vor allem unter den FCK-Fans der „Generationen Fünfzig-Plus“ genießt Hannes Bongartz bis heute hohes Ansehen wenn nicht gar Kultstatus. Zwischen 1978 und 1984 trug er als Spieler das Trikot der Roten Teufel, von 1985 bis Ende 1987 war er Cheftrainer beim FCK. Seine auffällig schlanke Statur hatte ihm einst den Spitznamen „Spargeltarzan“ beschert, der die Jahrzehnte überdauert hat. Seine spielerische Klasse, sein fußballerisches Verständnis, seine unverwechselbare Gangart und der legendäre Übersteiger, sein Markenzeichen beim Umgang mit dem Ball, machten ihn in der Pfalz zu einem Publikumsliebling. Aber auch seine ehrliche und geradlinige Art sowie sein unvergleichlicher Charme, einer Mischung aus rheinischer Frohnatur und unverhohlener Ruhrpott-Schnauze, zeichneten den schlaksigen Mittelfeldakteur seit jeher aus und charakterisieren bis heute sein sympathisches Wesen. Am 3. Oktober 2021 wird Hannes Bongartz 70 Jahre alt.

 

Der Fußball bestimmte sein Leben. Bis heute. Auch nach seinem 70. Geburtstag will der einstige Blondschopf als Berater talentierter jüngerer Spieler möglichst nah am deutschen Volkssport Nummer eins dranbleiben. Dabei war der Sport mit dem runden Leder anfangs gar nicht die erste Wahl. Papa Friedel Bongartz war Vorsitzender der Radsportfreunde Bonn-Duisdorf und so wurde das kleine „Hänschen“ schon früh in der dortigen Kunstradsportabteilung angemeldet. Mit dem Bonner Stadtteilverein im Südosten der einstigen Bundeshauptstadt wurde er als Schüler zweimal Deutscher Vizemeister und zweimal nordrhein-westfälischer Jugendmeister. Erst als ein Cousin nach einer Herzoperation den Radsport beenden musste, durfte der noch junge Hannes Bongartz seine Fußballbegeisterung ausleben. Zunächst beim FV Preußen Duisdorf, der später mit dem VfL Lengsdorf zum 1. FC Hardtberg fusionierte und bei dem übrigens auch der spätere Weltmeister Bodo Ilgner seine ersten fußballerischen Gehversuche unternahm. 1969 kam Hannes Bongartz zum Bonner SC, dem er nach eigenem Bekunden als 18-jähriger förmlich „zugelaufen“ war. Als A-Jugendspieler war er mutig zusammen mit zwei Mitspielern dort vorstellig geworden, durfte bleiben und absolvierte in zwei Jahren 23 Partien für die Bonner in der damaligen Regionalliga West, damals quasi 2. Bundesliga.

Saison 1978/79 (Foto: Archiv Thomas Butz)
Saison 1978/79 (Foto: Archiv Thomas Butz)

Bei einem Auswärtsspiel in Essen wurde Klaus Steilmann, der langjährige Mäzen der SG Wattenscheid 09, auf ihn aufmerksam und holte ihn im Sommer 1970 zum Bochumer Stadtteilverein. Für anfangs 120,-- D-Mark plus 10 Pfennige für jeden gefahrenen Kilometer. Vollprofi sei etwas für Verrückte, mahnte ihn seinerzeit Vereinsboss Klaus Steilmann und riet, auch im „zivilen“ Beruf weiterhin seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. „Also habe ich nach dem Industriekaufmann in Steilmanns Unternehmen noch den Textilkaufmann gemacht“, erinnert sich Hannes Bongartz an seine damalige Lebensplanung. Hannes Bongartz blieb bis 1974 an der Lohrheide und entwickelte sich vor allem unter Trainer Karl-Heinz Feldkamp, der ab 1972 Cheftrainer in Wattenscheid war, zu einem gestandenen Fußballer. Seinen ersten Profivertrag unterzeichnete er dann 1974 als er zum FC Schalke 04 in die Bundesliga wechselte. Für eine Million D-Mark. Die hohe Ablösesumme veranlasste die Schalker Verantwortlichen sogar dazu auf die Heimspieltickets der Spielzeit 1974/75 einen Aufschlag zu erheben, die sogenannte „Bongartz-Mark“.

 

Vier Jahre lang trug Hannes Bongartz das königsblaue Trikot, absolvierte insgesamt 150 Pflichtspiele für die Knappen, davon 131 in der Bundesliga und erzielte 27 Tore. Vor allem das Jahr 1976 kennzeichnet er bis heute als sein persönlich erfolgreichstes Jahr seiner Spielerkarriere. Er war Stammspieler, Schalke spielte im UEFA-Cup und er durfte erstmals das Trikot der deutschen Nationalmannschaft überstreifen. Am 28. Februar 1972 debütierte er im EM-Qualifikationsspiel gegen Malta, als er in der 57. Minute für Herbert Wimmer eingewechselt wurde. Auch bei der Europameisterschaft 1976 gehörte Hannes Bongartz zum DFB-Kader. Doch lediglich einmal durfte er aktiv ins Turnier eingreifen. Ausgerechnet im Finale gegen die Tschechoslowakei. In der 80. Minute kam er für den Herthaner Erich Beer. Der späte Treffer von Bernd Hölzenbein zum 2:2 „rettete“ die DFB-Auswahl in die Verlängerung, die keinen weiteren Treffer brachte. Die Entscheidung fiel vom Punkt. Nachdem Hannes Bongartz als dritter deutscher Schütze souverän verwandelt hatte, jagte Uli Hoeneß seinen Elfer jedoch anstatt ins gegnerische Tor in den Belgrader Nachthimmel. Nominierungen für die DFB-Auswahl gab es später noch einige, doch nur insgesamt vier Mal trug Hannes Bongartz tatsächlich das Nationaltrikot. Für mehr habe ihm damals vielleicht der Biss gefehlt, wie er heute etwas selbstkritisch auf seine Nationalmannschaftskarriere zurückblickt.

Foto: 1. FC Kaiserslautern
Foto: 1. FC Kaiserslautern

Im Sommer 1978 wechselte Hannes Bongartz dann zum 1. FC Kaiserslautern. Dort hatte im Sommer Karl-Heinz Feldkamp das Traineramt angetreten und seinen einstigen Wattenscheider Schützling an den Betzenberg geholt. Für den ballsicheren Mittelfeldakteur folgten sechs höchst erfolgreiche Jahre. Der FCK spielte von 1979 bis 1984 in jedem Jahr auf internationalem Parkett, wurde unter Karl-Heinz-Feldkamp in der Bundesliga zweimal Dritter und zweimal Vierter. Es folgten in der Saison 1982/83 ein sechster und ein Jahr darauf ein zwölfter Platz. 215 Pflichtspiele bestritt Hannes Bongartz für den FCK und erzielte dabei 25 Tore. In 167 Bundesligapartien traf er insgesamt 15-mal für die Roten Teufel. Ein Titel blieb ihm mit dem FCK jedoch verwehrt, auch wenn die Mannschaft einmal nah an der Deutschen Meisterschaft dran war. Auch im DFB-Pokal erreichten die Roten Teufel 1981 das Finale, mussten sich aber mit 1:3 gegen Eintracht Frankfurt geschlagen geben. Aber auch ohne Titel waren für Hannes Bongartz während seiner Zeit am Betzenberg viele phantastische und denkwürdige Spiele dabei. Die auch für ihn bis heute herausragendste Partie war das Rückspiel im UEFA-Cup-Viertelfinale gegen Real Madrid. Im Hinspiel hatten die Roten Teufel kräftig einstecken müssen. Nach 90 Minuten stand es im Bernabeu-Stadion aus FCK-Sicht 1:3. Doch vor allem die harte Spielweise der Madrilenen wurmte die Lauterer gewaltig. „Die haben uns fürchterlich zusammengetreten“, erinnert sich Hannes Bongartz noch heute.

 

Beim Abschlusstraining am Vorabend des Rückspiels gab Trainer Vujadin Boškov seinen Schützlingen vor, sich mit Schattenboxen aufzuwärmen. Für viele Kiebitze am Spielfeldrand eine provokante Geste und Indiz dafür, dass die Madrilenen ihre harte Gangart aus dem Hinspiel auch beim Gastspiel in Kaiserslautern walten lassen würden. Die Vermutungen sollten sich an jenem nasskalten Abend des 17. März 1982 bestätigen. Nachdem der FCK durch zwei Treffer von Friedhelm Funkel in der 7. und der 24. Spielminute das Hinspiel-Ergebnis früh egalisiert hatte, brannten nach der wuchtigen Lauterer Spielführung den Königlichen im Lauterer Hexenkessel alle Sicherungen durch. Der souveräne ungarische Schiedsrichter Károly Palotai schickte schon in der ersten Halbzeit zwei Spanier frühzeitig in die Kabine, ein weiterer Akteur im weißen Trikot sollte im zweiten Durchgang folgen. Hannes Bongartz vollendete mit einem Schlenzer in der 50. Minute nach einem seiner eleganten und legendären Übersteiger zum 3:0, Norbert Eilenfeldt (56.) und Rainer Geye (73.) besorgten mit zwei weiteren Treffern den Rest. Der FCK hatte die Edeltruppe aus der spanischen Landeshauptstadt mit 5:0 aus dem Stadion gefegt und nach den Worten von Hannes Bongartz nach der sprichwörtlich schmerzhaften Niederlage im Hinspiel, dann im Rückspiel halt einfach sportlich „verdroschen“.

Saison 1979/80 (Foto: Archiv Thomas Butz)
Saison 1979/80 (Foto: Archiv Thomas Butz)

Im Halbfinale mussten die Roten Teufel gegen den IFK Göteborg dann allerdings die Segel streichen. Die Begegnung mit den Skandinaviern sollte Hannes Bongartz jedoch in anderer Hinsicht nachhaltig beeindrucken. 1984 beendete er beim FCK seine Spielerkarriere, um ein Jahr später direkt von der Sporthochschule Köln als Trainer zum Betzenberg zurückzukommen. Zwar ohne Erfahrung als Coach, doch mit durchaus mutigen neuen Ideen. So war er einer der ersten Trainer in Deutschland, der im bezahlten Fußball die Viererkette spielen ließ. Trainer Sven-Göran Eriksson hatte diese fußballerische Innovation schon drei Jahre zuvor beim IFK Göteborg erfolgreich spielen lassen. Auch zum Leidwesen des FCK. Im November 1987 endete sein Trainerengagement am Betzenberg. Es folgten Trainerstationen beim FC Zürich, der SG Wattenscheid 09, wo er auch als Sportlicher Leiter tätig war, dem MSV Duisburg, Borussia Mönchengladbach und den Sportfreunden Siegen. Sein letztes vertragliches Engagement ging er als sportlicher Leiter beim griechischen Zweitligaclub Skoda Xanthi ein, das er 2008 beendete. Seither ist er nur noch als Spielerberater tätig, berät junge Talente, wobei er stets darauf achtet sich nie um mehr als sechs oder sieben Schützlinge gleichzeitig zu kümmern.

 

Heute lebt Hannes Bongartz zusammen mit seiner Frau in Bottrop und pflegt neben seinem immer noch ungebrochenen Interesse für den Fußball auch seine Leidenschaft für Pferde und insbesondere dem Trabrennsport. An seinem 70. Geburtstag darf er auf eine erfüllte Fußballerkarriere zurückblicken. 413 Pflichtspiele zieren seine Vita, 75-mal traf er dabei ins gegnerische Tor. Ein bisschen Zeit für einen persönlichen Rückblick wird er zweifelsfrei auch an seinem Geburtstag haben, denn groß gefeiert wird nicht. Lediglich die Familie will er um sich scharen und seinen Jubeltag mit einem gepflegten Restaurantbesuch abrunden. Und vielleicht wird sich auch der eine oder andere Gratulant per Telefon melden. Die FCK-Familie schließt sich der Gratulationscour an und wünscht zum 70. Geburtstag alles Gute, verbunden mit dem Wunsch den „Spargeltarzan“ auch bald mal wieder auf dem Betzenberg begrüßen zu dürfen.

 

mg

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