Foto: 1. FC Kaiserslautern
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Markus Merk zum 60. Geburtstag

Weltschiedsrichter, Zahnmediziner, Motivator, Helfer in der Dritten Welt

15.03.2022

 

Der 21. September 1974 war ein ganz besonderer Tag im Leben des damals 12 Jahre alten Markus Merk. Für den Nachmittag dieses Tages hatte Markus den offiziellen Auftrag erhalten, als Schiedsrichter das E-Jugend-spiel der TSG Kaiserslautern gegen den FC Erlenbach zu leiten.

 

Das Sensationelle an dieser Schiedsrichteransetzung war die Tatsache, dass mit dem zwölfjährigen Markus Merk der damals jüngste Schiedsrichter Deutschlands sein Debüt als Spielleiter geben durfte. Einige Wochen zuvor war der kleine, schmale Junge von den Bezirks- und Kreisschiedsrichterobmännern Albert Dusch und Fritz Kühner im Rahmen einer Pflichtsitzung der Schiedsrichtervereinigung Kaiserslautern seinen künftigen Kameraden vorgestellt worden. Der einstige FIFA-Schiedsrichter Albert Dusch verkündete den staunenden Anwesenden: "Der junge Mann will Schiedsrichter werden. Das ist Markus, der Sohn von Rudi Merk. ....."

 

Der zierlich wirkende Junge hatte schon längst das Regelwerk des Schiedsrichterwesens verinnerlicht, legte ohne Probleme die theoretische Prüfung ab und erhielt - mit einer von Albert Dusch erwirkten Sondergenehmigung - den Schiedsrichterausweis und zum 21. September 1974 seine erste Spielbeauftragung.

 

Für Markus war damit ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahren in den untersten Jugendklassen beim 1. FC Kaiserslautern gekickt - und Vater Rudi hätte es gerne gesehen, wenn aus seinem Sohn ein guter Fußballer geworden wäre. Rudi Merk war seit langem schon eine bekannte Persönlichkeit auf dem Betzenberg, hatte Jugendmannschaften betreut und trainiert, wirkte als Schiedsrichter und übte schließlich das Amt des Leiters der gesamten FCK-Fußballabteilung aus. Seit Einführung der Bundesliga im August 1963 umsorgte er überdies die zur Spielleitung auf dem Betzenberg nominierten Schiedsrichter.

 

Oft weilten diese Spitzenschiedsrichter nach dem Spiel im nur 200 m vom Stadion entfernten Haus der Familie Merk, stärkten sich in der Küche bei einem Imbiss und erholten sich von den aufregenden 90 Minuten im Hexenkessel des Betzenbergs. Der kleine Markus entwickelte damals großen Respekt vor der Leistung dieser Unparteiischen, die - ungeachtet der lautstarken Kulisse im Stadion - den Regeln Geltung verschafften und das Spiel in geordneten Bahnen hielten. Bald keimte bei Markus der Wunsch auf, ebenfalls Schiedsrichter werden zu wollen.

 

Vater Rudi Merk stieß mit dem Wunsch seines Sohnes bei dem pfälzischen Schiedsrichterobmann Albert Dusch auf offene Ohren. Warum sollte man nicht schon im Jugendbereich künftige Schiedsrichter an ihre Aufgabe heranführen? Markus Merk erhielt seine Sondergenehmigung und konnte somit am 21. September 1974 auf dem Gelände der TSG Kaiserslautern im Buchenloch seine einzigartige Karriere starten. Da es für den kleinen Markus keine Schiedsrichterausstattung in passender Größe gegeben hat, nähte Mutter Renate eine schwarze Bluse für ihren Filius um, versah diese mit dem Emblem des Südwestdeutschen Fußballverbandes, so dass der Debütant in vorschriftsmäßiger Kleidung sein erstes Spiel leiten konnte. Für die Medien war dieser Auftritt des jüngsten deutschen Schiedsrichters natürlich eine Meldung wert - zumal Markus Merk schon in anderer Hinsicht auf sich aufmerksam gemacht hatte.

 

Markus gehörte mit einigen etwa gleichaltrigen Mädchen zu einer Gruppe, die bei der beliebten TV-Vorabendsendung "Die Montagsmaler" mit Frank Elstner als Moderator im Jahre 1974 gegen Teams anderer Vereine angetreten ist. Udo Sopp, Vizepräsident, später Präsident des 1. FCK und seines Zeichens Pfarrer der Lauterer Apostelkirchengemeinde, hatte sich für diese Gruppe eingesetzt und konnte mit Stolz erleben, mit welchem Tempo und mit welcher Gewitztheit sich die Mädels und Markus als Zeichen- und Ratespezialisten profilierten. Für Heiterkeit sorgte dabei der von Markus Merk kreierte Spruch "Hund, Katze, Maus" zu Beginn der jeweiligen Raterunde. Auf diese Weise kam Markus zu seinen ersten Meisterehren, gelangte sein Name erstmals in Millionen bundesdeutscher Wohnzimmer.

 

Mit 14 Jahren war klar, dass sich Markus Merk fortan der Schiedsrichterei widmen würde. Er gab das Spielen in der Jugendmannschaft auf und bewies Wochenende für Wochenende mit tadellosen Leistungen zur Freude seines Mentors Albert Dusch, seines Vaters Rudi und natürlich auch seiner Mutter Renate und der Schwester Bianca seine Klasse als Unparteiischer. Mit bemerkenswerter Ernsthaftigkeit und voller Konzentration leitete er die ihm übertragenen Spiele. Gute Kondition, perfekte Regelkenntnis und ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden waren wertvolle Voraussetzungen auf dem Weg in die höheren Spielklassen. Der junge Schiedsrichter war dabei stets selbstkritisch, eine Eigenschaft, die er auch später als international renommierter Unparteiischer beibehielt; immer war er bereit, sich selbst zu hinterfragen und kritische Anmerkungen und Ratschläge älterer Kameraden zu überdenken und aus Fehlern zu lernen.

 

Trotz der zahlreichen Schiedsrichtereinsätze schloss Markus Merk problemlos seine Schulzeit am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Kaiserslautern mit dem Abitur ab, absolvierte zwei Jahre lang seinen Dienst bei der Bundeswehr und startete in Köln das anspruchsvolle Studium der Zahnmedizin. In dieser Zeitspanne hatte sich Markus Merk für die Zweite Bundesliga qualifiziert und 1988 folgte - fast unausweichlich - seine Berufung in den erlauchten Kreis der Erstligaschiedsrichter. Bei seiner Bundesligapremiere in Bochum (gegen Uerdingen) unterstützten Freunde und Kommilitonen Markus mit einem Banner, das die Aufschrift "Merk merkt alles" trug. Es war wohl das erste und einzige Mal, dass sich bei einer Bundesligabegegnung ein Schiedsrichter-Fanclub bemerkbar machte. Der damals jüngste Bundesligaschiedsrichter überzeugte mit seinen Spielleitungen und als nächster Schritt auf der Karriereleiter durfte sich Markus Merk - nach seiner Promotion im Jahre 1990 zum "Dr. med. dent." - über Spielbeauftragungen von der FIFA freuen. Von 1992 bis 2007 würde Markus nicht weniger als 50 Länderspiele pfeifen.

 

Beruflich richtete sich Merk nach seiner Zeit als Assistent eines Zahnarztes in Otterbach eine eigene Praxis am Stadtpark seiner Heimatstadt Kaiserslautern ein. Im Jahr 1996 heiratete er in München seine Freundin Birgit; das Paar nahm seinen Wohnsitz in einem selbst restaurierten Bauernhof in Otterbach, fünf Kilometer nördlich von Kaiserslautern gelegen. 1999 wurde Sohn Benedikt geboren.

Als Schiedsrichter eilte Markus Merk von einem Höhepunkt zum nächsten: Auf nationaler wie auf internationaler Ebene gab es kein Großereignis, kein bedeutendes Turnier ohne das Mitwirken des Lauterer Referees. Sei es das Endspiel um den DFB-Pokal 1993, seien es Begegnungen im Europapokal, seien es Einsätze bei den Olympischen Spielen in Barcelona 1992, die Spiele um die Europameisterschaften 2000 und 2004 sowie um die Weltmeisterschaften 2002 und 2006 - Markus Merk war stets dabei. Er pfiff in den größten Stadien der Welt und hatte es dabei mit den besten Fußballspielern seiner Zeit zu tun. Besonders hervorzuheben wären seine Spielleitungen im Europapokal-Endspiel der Pokalsieger 1997 Paris SG gegen den FC Barelona, im Finale der Champions League Juventus Turin 2003 gegen den AC Mailand im ehrwürdigen Stadion Old Trafford in Manchester und natürlich das Endspiel der Europameisterschaft 2004 Portugal gegen Griechenland.

 

Nur ein Wunsch ging für Markus nicht in Erfüllung. Zu gerne hätte er bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ein Spiel im Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern gepfiffen - 200 Meter von seinem Elternhaus entfernt. Seine drei Spielleitungen bei der "Sommermärchen-WM" waren aber nobler Ersatz für den unerfüllten Wunsch.

 

2008 beendete Merk seine Laufbahn mit der Rekordzahl von 339 Bundesligaeinsätzen. Als Leiter des Abschiedsspiels für Oliver Kahn zwischen dem FC Bayern München und einer DFB-Auswahlmannschaft nahm er am 2. September 2008 Abschied von der großen Fußballbühne. Die Wertschätzung, die man Markus Merk für seine Schiedsrichterleistungen entgegenbrachte, drückt sich am besten in der Tatsache aus, dass er zwischen 1994/95 und 2007/08 sieben Mal zum "Schiedsrichter des Jahres" in Deutschland und 2004, 2005 und 2007 sogar zum "Weltschiedsrichter" ernannt wurde.

 

In all den Jahren als Zahnmediziner und Spitzenschiedsrichter kannte Markus Merk keine Ruhe, keinen Stillstand. In seiner knapp bemessenen Freizeit unternahm er Langläufe, erklomm er hohe Berge und lief Ski, er war immer in Bewegung, mutete seinem Körper Ausdauer- und Extremleistungen zu. Dabei hatte er gefährliche Situationen zu überstehen, so, als er sich bei einem Sturz in den Schweizer Alpen 2001 einen Knöchelbruch zuzog, der seine Teilnahme an der WM 2002 gefährdete. Doch mit der ihm eigenen Energie und Willenskraft schaffte er es, rechtzeitig zu dem Weltturnier wieder fit zu werden.

 

Seine nachhaltigste und wertvollste Aktivität neben seiner Praxis und seinen Schiedsrichtereinsätzen war jedoch die Indienhilfe. Schon in seiner Anfängerzeit als Zahnarzt empfing er den Impuls, sich für notleidende Menschen in der Dritten Welt, in Indien, zu engagieren. 1991 startete er seine Indienhilfe, verbrachte einen großen Teil seiner Urlaube in Südindien, wo er unter freiem Himmel Zahnbehandlungen bei armen Kindern und Erwachsenen durchführte. Der im christlichen Glauben verankerte Merk erkannte, dass man in der Dritten Welt mit geringen Mitteln viel bewegen kann. Er initiierte in Kaiserslautern den Verein "Indienhilfe", erhielt Unterstützung von anderen Schiedsrichterkameraden und seitens des DFB und konnte 1999 schließlich das Hilfsprojekt Sogospatty starten. Dank Merks Tatkraft und Umsicht konnten dort Schulen und Waisenhäuser und andere soziale Einrichtungen geschaffen werden.

 

2005 vollzog Markus Merk einen einschneidenden beruflichen Wechsel. Ständige Reformen und zunehmende Bürokratie nahmen ihm mehr und mehr die Freude an seiner Zahnarzttätigkeit. Er veräußerte seine Praxis und startete mit Erfolg eine neue Karriere als Entscheidungs- und Motivationstrainer. Bald schon waren seine Vorträge und Kurse auf lange Sicht ausgebucht. Außerdem war er für den türkischen Fernsehsender Lig TV und für Sky als Kommentator tätig.

 

Die sportliche und wirtschaftliche Krise, die seinen 1. FC Kaiserslautern schließlich in die Dritte Liga abstürzen ließ und den großen Traditionsverein in seiner Existenz bedrohte, beunruhigte auch Markus Merk. Nach der Umstrukturierung des Vereins und Querelen in der Führungsebene wurde der Ruf nach einer unverbrauchten Kraft, nach einem "starken Mann", im Umfeld des Betzenberges immer lauter. Wäre nicht der Weltschiedsrichter Dr. Markus Merk die richtige Persönlichkeit, dem 1. FCK auf dem Weg in ruhigeres Fahrwasser zu helfen? Markus verschloss sich diesem Ruf nicht, obwohl er sich keineswegs als "der starke Mann" sah, eher als "primus inter pares". Bei der Jahreshauptversammlung am 1.12. 2019 wurde er in den Aufsichtsrat seines Vereins gewählt und bekleidete als stellvertretender Vorsitzender das Amt des Sprechers dieses Gremiums. Natürlich konnte Markus keine Wunder vollbringen, zu groß waren die Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Sponsoren, zu stark die Ungeduld im Umfeld des Vereins, für viele nicht schnell genug die sportliche Erholung. Markus Merk brachte sich ein - doch als gegen Ende des Jahre 2021 wirtschaftlich und sportlich erste Erfolge seiner Amtszeit sichtbar wurden, verkündete er am 21.12.2021 den Rücktritt von seinen Ämtern. Er hatte seine Mission erfüllt und sah seinen 1. FCK auf dem Weg in eine bessere Zukunft. Markus Merk, der 2019 in zweiter Ehe Sabine geheiratet hatte und mit ihr in die Vorderpfalz, nach Weisenheim am Berg, gezogen war, wollte sich wieder anderen Themen und Projekten abseits des FCK widmen können.

 

Ohne Zweifel ist Markus Merk nach wie vor begeisterter Anhänger seines 1. FCK, der - wie alle Fans - den Aufstieg in der laufenden Spielzeit herbeisehnt. Der Mann, der in seinem Wesen so viele Facetten vereint und der mit seiner Schiedsrichtertätigkeit den deutschen Fußball weltweit so würdig vertreten hat und der dafür sorgte, dass durch ihn in den Zeiten der Abstiege in die Zweite und sogar Dritte Liga sein FCK noch immer mit der Bundesliga in Verbindung gebracht werden konnte, der Weltschiedsrichter, Zahnmediziner, Ausdauersportler, Motivationstrainer, Kommentator, Vereinsfunktionär und vor allem der hilfsbereite Mensch mit dem großen Herzen für die Dritte Welt, für Indien, begeht heute seinen 60. Geburtstag.

 

Alle Anhänger unseres 1. FCK und der Museumsinitiative gratulieren Markus ganz herzlich, danken ihm für seine einzigartige Lebensleistung und wünschen ihm für die Zukunft Gesundheit und viele erfüllte Jahre sowie Freude bei seinen Besuchen der Spiele unserer Mannschaft auf dem Betzenberg.

 

hw

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