Der vergessene Walter-Bruder
Erinnerungen zum 100. Geburtstag von Ludwig Walter
02.11.2022
Am 2. November 1922 wurde Ludwig als zweiter Sohn von Dorothea und Ludwig Walter in Kaiserslautern geboren – zwei Jahre zuvor war Fritz zur Welt gekommen, 1924 folgte Ottmar, ehe 1926 und 1930 mit Sonja und Gisela noch zwei Walter-Mädchen das Licht der Welt erblickten. Ludwig erwies sich schon im Vorschulalter als begeisterter Fußballer, der mit seinen beiden Brüdern sowie Jungen aus der Nachbarschaft die „Kanälchesmannschaft“ der Uhlandstraße bildete und mit Geschick und Hingabe Gummibällchen, leere Konservendosen oder zusammengewickelte Stoffballen in die Öffnungen der Gullys beförderte.
Wie sein älterer Bruder Fritz trat Ludwig mit acht Jahren in die Schülermannschaft des 1. FC Kaiserslautern ein – und wie sein Bruder absolvierte auch er eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei einer Bankagentur. Mit einem Einser-Abschlusszeugnis in der Hand trat er eine Stelle bei der Stadtkasse Kaiserslautern an; diese Tätigkeit wurde 1940 jedoch durch seine Einberufung zum Reichsarbeitsdienst unterbrochen. 1942 musste Ludwig Walter seinen Militärdienst bei der Panzerwaffe an der Ostfront antreten. Er erlitt gegen Kriegsende eine schwere Oberschenkelverletzung und geriet in sowjetische Gefangenschaft und wurde in das Gefangenenlager Marmaros-Sziget auf rumänischem Boden eingeliefert.
Ein schier unfassbarer Zufall wollte es, dass Ludwig in diesem Gefangenenlager unter den ca. 45 000 Internierten auf seinen Bruder Fritz traf. Fritz, der Nationalspieler, war nach kuriosen Zufälligkeiten in die Mannschaft der Lagerbewachung aufgenommen worden. Auf Zureden seines Bruders spielte Ludwig trotz seiner schmerzhaften Verletzung in dieser Mannschaft mit und er und Fritz hatten schließlich das Glück, bei der Auflösung des Lagers im Sommer 1945 nicht ins Innere des russischen Riesenreiches abtransportiert zu werden, sondern mit einem Sondertransport mit französischen, luxemburgischen und belgischen Soldaten in westliche Richtung fahren zu dürfen. Kaiserslautern lag in der französischen Besatzungszone – und für den sowjetischen Lagerkommandanten war dies eben „Frankreich“. Nach einem Zwischenaufenthalt in Wien gelangten die Walter-Brüder im Oktober 1945 zur Freude der Eltern und Schwestern in ihre Heimatstadt.
In der Folgezeit bemühte sich Fritz Walter um den Neuaufbau einer FCK-Mannschaft; mit Kriegsrückkehrern und jungen Talenten konnte 1946 jene Mannschaft formiert werden, die für mehr als zehn Jahre lang zu den Spitzenteams im deutschen Fußball gehören sollte – die „Walter-Mannschaft“ des 1. FC Kaiserslautern. Bruder Ottmar war im Sommer 1946 aus der Gefangenschaft zurückgekehrt und hatte seine Kriegsverletzung überwunden, anders sah es jedoch bei Ludwig Walter aus. Er versuchte 1946 in der Walter-Mannschaft Fuß zu fassen, aber nach einigen Spielen musste er sich eingestehen, dass er wegen seiner Verletzung das Niveau seiner Brüder Fritz und Ottmar nicht würde erreichen können.
Ludwig Walter kümmerte sich stattdessen um den Nachwuchs und trainierte über viele Jahre hinweg erfolgreich Jugendmannschaften des FCK. Es spricht sehr für den Charakter und die Haltung Ludwig Walters, dass er seinen berühmten Brüdern die Erfolge und ihre Popularität nicht neidete. „Die Beiden waren gut und haben das verdient“, sagte er einmal.
Im Jahre 1946 nahm Ludwig Walter seinen Dienst bei der Stadtkasse Kaiserslautern als zuverlässiger Mitarbeiter bis zu seiner Pensionierung wieder auf. Mit seiner Ehefrau Elfriede hatte er einen Sohn, Gert, der in Jugendmannschaften des FCK aktiv war und wie sein Vater und sein Patenonkel Fritz im Bankwesen ausgebildet wurde.
Am 26. Juli 1993 starb Ludwig Walter im 71. Lebensjahr. Seinen Freunden und Bekannten ist er als stets freundlicher, angenehmer, hilfsbereiter Zeitgenosse und treuer FCK-ler in bester Erinnerung geblieben.
Zu seinem 100. Geburtstag erinnern der 1. FC Kaiserslautern und die Museumsinitiative daran, dass es ohne die Kriegsfolgen wahrscheinlich drei Walter-Brüder in der FCK-Meistermannschaft gegeben hätte. Der „vergessene Bruder“ Ludwig hat es verdient, uns allen in Erinnerung zu bleiben.
hw