„König“ Otto
Meistertrainer Otto Rehhagel wird 85 Jahre
09.08.2023
Otto Rehhagel gilt als einer der erfolgreichsten Trainer in der Geschichte der deutschen Bundesliga - und sein Name ist eng mit dem 1. FC Kaiserslautern verbunden.
1966 wechselte der am 9. August 1938 in Essen geborene Otto Rehhagel nach Anfängerjahren bei Helene Altenessen und Rot-Weiß Essen sowie drei Jahren als Bundesligaprofi bei Hertha BSC zum 1. FC Kaiserslautern. Bei den Roten Teufeln wurde der Verteidiger auf Anhieb Stammspieler und absolvierte 148 Bundesligaspiele für den FCK bis zu seiner Invalidität im Jahre 1971. Otto Rehhagel machte sich als kompromissloser, zuverlässiger Abwehrspieler einen guten Namen, außerdem trat er oft als nervenstarker Elfmeterschütze in Erscheinung. Mit seiner Beständigkeit war er einer der Garanten, dass der FCK in dieser Zeitspanne die Klasse halten konnte.
1969/70, noch während seiner Zeit als FCK-Profi, erwarb Rehhagel an der Sporthochschule Köln bei Hennes Weisweiler die Trainerlizenz. Im Jahre 1971 übernahm Rehhagel als erste Trainerstation die abstiegsbedrohte und mit sieben Punkten Rückstand am Tabellenende stehende Mannschaft des FV Rockenhausen. Unter seiner Trainingsleitung konnten wieder Siege errungen und am letzten Spieltag der Abstieg abgewendet werden. "Da war etwas los in Rockenhausen", freute sich Rehhagel im Rückblick.
Seine Trainertätigkeit führte ihn in den nachfolgenden 30 Jahren kreuz und quer durch Deutschland - meist kurzzeitige Engagements mit wechselnden Erfolgen hatte er zunächst in Saarbrücken, Offenbach, Bremen, Dortmund, Bielefeld und Düsseldorf. 1981 gelangte er erneut zu Werder Bremen, diesmal für vierzehn Jahre. In dieser Zeitspanne konnte er mit seiner Mannschaft zwei Mal die deutsche Meisterschaft und drei Mal den DFB-Pokal an die Weser holen. Als „König Otto“ wurde er 1995 verabschiedet, nachdem er eine Offerte des FC Bayern angenommen hatte und nach München wechselte.
Nach Anfangserfolgen kam es zu Kompetenzstreitigkeiten mit Spielern und Vorständen, die zum vorzeitigen Ende seiner Trainerfunktion beim FC Bayern führten. Zeitgleich erlebte 1996 der 1. FC Kaiserslautern seinen ersten Abstieg aus der Ersten Bundesliga. In einem Interview verkündete Aufsichtsratsmitglied Kalli Feldkamp, man werde mit einem „erstklassigen Trainer“ in der Zweiten Bundesliga den sofortigen Wiederaufstieg anstreben - ohne einen Namen zu nennen. Die Wahl war auf Otto Rehhagel gefallen.
Der FCK-Vorsitzende „Atze“ Friedrich erklärte, beim FCK könne Otto Rehhagel wieder ohne präsidiale Einschränkungen und Bevormundungen die Mannschaft trainieren: „Otto kann wieder Otto sein“. Nach verhaltenem Start in der Zweiten Liga steigerte sich die Lauterer Mannschaft und sicherte schließlich souverän mit zehn Punkten Vorsprung die Meisterschaft und die Rückkehr in die Erste Bundesliga. Nach einem Jahr im Unterhaus war der "Betriebsunfall" von 1996 wieder repariert.
Zum Start in die Bundesligasaison 1997/98 sah der Spielplan für den ersten Spieltag die Begegnung FC Bayern München gegen den 1. FC Kaiserslautern vor. Ausgerechnet bei seinem vorletzten Verein, den er mit unfreundlichen Begleiterscheinungen verlassen hat, musste Otto Rehhagel nun mit seiner Aufstiegsmannschaft antreten. Man räumte dem Aufsteiger bestenfalls eine Minimalchance in München ein - umso größer war die Überraschung und die Freude bei allen FCK-Anhängern, als die Roten Teufel dank eines Treffers von Michael Schjönberg das Spiel mit 1:0 gewinnen und die ersten drei Punkte verbuchen konnte. Welch eine Genugtuung für Otto Rehhagel!
Im weiteren Verlauf der Vorrunde sammelte der FCK fleißig Punkte und setzte sich an der Tabellenspitze fest. Jedes Heimspiel war ausverkauft und die Fans, die erst am achten Spieltag eine Niederlage gegen Werder Bremen erleben mussten, peitschten ihre Mannschaft von Erfolg zu Erfolg. Zum Beginn der Rückrunde erfolgte das Heimspiel gegen den FC Bayern. Nach einem hochklassigen Spiel ging auch diesmal der FCK mit einem 2:0-Erfolg vom Platz. Zum zweiten Mal konnte Otto Rehhagel in einer Spielzeit über seinen Ex-Verein triumphieren. In der Pfalz träumte man von einer weiteren Meisterschaft, doch in der Mitte der Rückrunde schwächelte der FCK etwas, mehrere Spiele endeten unentschieden, das Heimspiel gegen Leverkusen ging glatt mit 0:3 verloren und nach weiteren Unentschieden war die Tabellenführung der Lauterer stark gefährdet. Am 24. April 1998 gastierte mit Borussia Mönchengladbach eine abstiegsbedrohte Mannschaft auf dem Betzenberg - und zum Entsetzen der FCK-Anhänger gingen die Fohlen vom Bökelberg mit 2:0 in Führung. Aber es sollte der ganz große Abend des Olaf Marschall werden. Er sorgte für den Anschlusstreffer und auch für das Ausgleichstor. Als ihm in der letzten Spielminute noch ein sehenswerter Kopfballtreffer gelang und der FCK mit 3:2 das Spiel gewonnen hatte, wollte der Jubel unter den Fans der Roten Teufel kein Ende nehmen; der dreifache Torschütze wurde als „Fußballgott“ gefeiert. Mit einem Mal war die vierte Meisterschaft für den FCK wieder in greifbare Nähe gerückt. Die Entscheidung musste nach einem Unentschieden in Bielefeld schließlich am 2. Mai 1998 im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg fallen.
Vor 38.000 Zuschauern ließ die Mannschaft von Otto Rehhagel an diesem sonnigen Frühlingstag keinen Zweifel an ihrer Zielsetzung aufkommen - jeder wollte die vierte Meisterschaft für den FCK. Und prompt brachte Olaf Marschall als zuverlässiger Torjäger vom Dienst die Lauterer in Führung. Mit diesem 1:0 wurden die Seiten gewechselt und in der zweiten Halbzeit erlebten die begeisterten Anhänger einen wahrhaft meisterlichen Sturmlauf ihrer Mannschaft. Der unermüdliche Martin Wagner, erneut Olaf Marschall und schließlich Edeljoker Jürgen Rische besorgten die Tore zum 4:0-Endstand. „Deutscher Meister -- nur der FCK!“, hallte es durch das Stadion. FCK-Präsident Hubert Kessler verkündete schließlich „offiziell“ die Meisterschaft des 1. FC Kaiserslautern und seines Trainers Otto Rehhagel. Gelöst und mit sichtlicher Freude winkte Rehhagel zu den Fans und in die Fernsehkameras. Mit dem Wiederaufstieg und der nachfolgenden Meisterschaft hat der FCK etwas Einzigartiges geschafft - und Trainer Rehhagel war nun auch in Kaiserslautern „König Otto“.
Das letzte Saisonspiel hatte nur noch statistischen Wert, dennoch begleiteten etwa 15.000 Pfälzer ihren FCK zur Begegnung mit dem Hamburger SV und zur Übergabe der Meisterschale. 1:1 endete das Spiel, per Elfmeter konnte Olaf Marschall in seinem 24. Saisonspiel seinen 21. Treffer erzielen. Am darauffolgenden Sonntag bereiteten mehr als 120.000 Anhänger der Mannschaft und ihrem Trainer einen grandiosen Empfang in Kaiserslautern.
Dieser Trainer konnte einerseits ein „harter Hund“ sein, andererseits suchte er mit seinen Spielern das Gespräch und war für seine Schützlinge nicht nur auf dem Trainingsplatz, sondern in jeder denkbaren Situation bei Tag und Nacht ein aufmerksamer Ansprechpartner. Unvergessen sind die Bilder von dem dirigierenden und gestikulierenden und durch die Finger pfeifenden Trainer Rehhagel am Spielfeldrand.
Leider gab es in den Jahren nach dem großen Erfolg Verstimmungen beim FCK - so zwischen Aufsichtsratsmitglied Hans Peter Briegel und Rehhagel sowie zwischen FCK-Spieler Sforza und seinem Trainer. Es wurde kritisiert, Rehhagel würde junge Spieler wie Michael Ballack oder Thomas Riedl nicht genügend berücksichtigen und stattdessen auf teure Altstars wie den französischen Weltmeister Youri Djorkaeff setzen. Man hatte in Kaiserslautern die Erwartungen zu hoch angesiedelt und als die erhofften Ziele ausblieben, wurde die Enttäuschung spürbar. Als Konsequenz aus den Unstimmigkeiten kam es zur Trennung von FCK und Erfolgstrainer Rehhagel.
Zur Überraschung der deutschen Fußballfreunde ließ sich Otto Rehhagel 2001 vom griechischen Fußballverband unter Vertrag nehmen. Bis zum Jahr 2010 sollte Rehhagel die griechische Nationalmannschaft in 106 Länderspielen betreuen. Und dabei wartete ein ganz besonderer Höhepunkt auf Otto Rehhagel: Bei der Europameisterschaft 2004 konnte sich die griechische Mannschaft ins Endspiel vorarbeiten und das Finale gegen Portugal überraschend mit 1:0 gewinnen. Die Begeisterung in Griechenland kannte keine Grenzen und Otto Rehhagel wurde als Vater des Erfolges mit allen denkbaren Ehrungen versehen. Athen ernannte ihn zum Ehrenbürger und ein Reporter erfand für ihn in Anlehnung an einen antiken Helden die Bezeichnung „Rehakles“.
Rehhagel, um einen knurrigen Spruch nie verlegen, konterte die Kritik, seine Taktik und seine Trainingsmethoden seien antiquiert, mit dem Satz: „Wer gewinnt, spielt modern!“ In Erinnerung geblieben ist auch sein Ausspruch: „Athen hat die Demokratie eingeführt, ich die demokratische Diktatur.“
Zum Abschluss seiner langen Karriere ließ sich Otto Rehhagel von Hertha BSC im Jahre 2012 als „Feuerwehrmann“ verpflichten, um den Absturz in die Zweite Liga zu verhindern. Rehhagel konnte mit den Berlinern zwar Erfolge einfahren, das entscheidende Relegationsspiel ging aber verloren.
Seither lebt Rehhagel, der seit 1963 mit seiner Frau Beate verheiratet ist und einen Sohn, Jens, hat, im Ruhestand. Mit Stolz kann „König Otto“ auf den Gewinn einer Europameisterschaft, auf drei deutsche Meisterschaften, drei DFB-Pokalsiege und den Sieg im Europapokal der Pokalsieger, auf die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und mehrere Ernennungen zum Trainer des Jahres zurückblicken. Am 9. August 2023 begeht Otto Rehhagel seinen 85. Geburtstag. In Erinnerung an seine Leistungen als Spieler des FCK und seine Trainererfolge beim Wiederaufstieg 1997 und bei der Deutschen Meisterschaft 1998 gratulieren wir Otto zu seinem Ehrentag und wünschen ihm von Herzen alles erdenklich Gute und noch viele gesunde Jahre im Kreise seiner Familie und seiner Freunde.
hw