Dribbelkünstler und Publikumsliebling
Seppl Pirrung würde heute 75. Geburtstag feiern
24.07.2024
Der Start in die Fußballerkarriere von Josef „Seppl“ Pirrung liest sich wie eine fußballerische Horrorgeschichte. Der am 24. Juli 1949 im pfälzischen Münchweiler an der Rodalb geborene Pirrung durchlief bei seinem Heimatverein, dem FC Münchweiler, alle Stationen im Jugendbereich und erhielt als großes Talent schon früh Berufungen in Jugend-Auswahlmannschaften sowie in die Jugendnationalmann-schaft.
Bei einem Einsatz in der DFB-Auswahl bei einem UEFA-Juniorenturnier 1967 in der Türkei erlitt Seppl Pirrung einen Bruch des rechten Schien- und Wadenbeines. Nach der vermeintlichen Genesung kam es aber gleich beim ersten Spiel zu einer erneuten Fraktur des rechten Beines und zu einer langen Erholungspause. Als Seppl Pirrung wieder einsatzfähig war, brach er sich zum dritten Mal binnen eines Jahres sein rechtes Bein, diesmal „nur“ das Schienbein. Dennoch gab Pirrung nicht auf und arbeitete sich mit bewunderungswürdiger Energie wieder in den Spielbetrieb zurück. Inzwischen hatte er einen Vertrag beim 1. FC Kaiserslautern erhalten, konnte wegen der langen Verletzungspause aber erst am 30. August 1969 sein erstes Bundesligaspiel für die Roten Teufel bestreiten.
Kaum jemand hätte es nach Pirrungs schier unfassbarer Leidensgeschichte für möglich gehalten, dass der nur 1,67 m große Lockenkopf einer der erfolgreichsten Akteure in der Bundesligahistorie des FCK werden würde. Am Ende seiner Zeit auf dem Betzenberg hatte er in 304 Punktspielen stolze 61 Tore erzielt. Als Rechtsaußen vermochte er seine Schnelligkeit, seine Gewandtheit und seine Finten und Tricks hervorragend zur Geltung zu bringen und die Zuschauer zu Jubelstürmen zu veranlassen. Oft war er von seinen Gegenspielern nur mit Härte oder unfairen Mitteln zu stoppen, was ihm einerseits manche Blessuren eintrug, bei Heimspielen von den Fans aber mit lautstarker Entrüstung quittiert wurde, wenn jemand den erklärten Publikumsliebling wieder einmal über die Klinge springen ließ und zu Boden schickte. Manche Verletzung vermochte Pirrung zu vermeiden, da er die gegnerische Attacke oftmals antizipierte und das zur Grätsche ausgefahrene Bein elegant überspringen konnte.
Von seinen präzisen Flanken und Zuspielen profitierten seine Mitspieler, zum Beispiel Klaus Toppmöller, der mit 108 Treffern erfolgreichste FCK-Torschütze in der Bundesliga. Doch im Strafraum geizte Pirrung keineswegs mit beherzten Schüssen – 61 Torerfolge sprechen eine deutliche Sprache.
Zu ganz besonderer Form lief Seppl Pirrung in einigen Spielen gegen den FC Bayern München auf. Unvergessen bleibt sein Auftritt gegen die Bayern am 20. Oktober 1973. In dieser Begegnung wirbelte er die mit ihren großartigen Spielern wie Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Georg „Katsche“ Schwarzenbeck, Franz „Bulle“ Roth und Gerd Müller angetretenen Münchner mal durch die Mitte, mal von rechts kommend immer wieder durcheinander und erzielte drei sehenswerte Treffer. Nach einem 0:3- und 1:4-Rückstand ging der 1. FC Kaiserslautern in diesem Sensationsspiel mit einem 7:4-Sieg vom Platz. Die Münchner klopften bei Pirrung nach der Begegnung wegen eines Vertrages an, Seppl blieb aber seinem FCK treu.
Fast genau ein Jahr später gelang dem 1. FC Kaiserslautern im Münchner Olympiastadion mit 5:2 ein spektakulärer Auswärtssieg über den FC Bayern, bei dem Pirrung erneut zu den überragenden Akteuren und Torschützen zählte. Und im nachfolgenden Heimspiel gegen den FCB konnte Seppl Pirrung beim 1:1 mit seinem Torerfolg wenigstens einen Punkt retten.
Pirrungs Leistungen fanden auch darin Anerkennung, dass er von Bundestrainer Helmut Schön zu Lehrgängen eingeladen und in zwei A-Länderspielen eingesetzt wurde. Im Nachhinein erscheint es bedauerlich, dass Pirrung mit seinem FCK keinen Titel erringen konnte, obwohl die Mannschaft damals mit Klaus Toppmöller, „Schwedenpfeil“ Roland Sandberg und Seppl Pirrung ein Sturmtrio besaß, das gemeinsam 229 Bundesligatore erzielte. Zwei Teilnahmen an den DFB-Pokalendspielen 1972 und 1976, die leider verloren wurden, waren ein schwacher Trost.
Die Endphase von Seppl Pirrungs Bundesligakarriere war wieder überschattet von Verletzungen, einer Operation und schließlich dem Bruch eines Knöchels. Der FCK verlängerte den Vertrag mit seinem Rechtsaußen nicht mehr und Pirrung wechselte nach Worms, wo er für die Wormatia noch 27 Einsätze bestritt.
Seppl Pirrung wirkte nach seiner Fußballerkarriere bis zu seiner schweren Erkrankung in einem Sport-Mode-Haus als Berater und Verkäufer. Der leidenschaftliche Fußballer, der sich nach so vielen Unglücksfällen und Rückschlägen nie hat unterkriegen lassen und sich immer wieder mit Bravour seinen Platz auf dem Fußballfeld zurückerkämpft hatte, musste sich einer bösartigen Erkrankung geschlagen geben. Am 11. Februar 2011 starb er; sein Grab auf dem Hauptfriedhof Kaiserslautern liegt nur wenige Schritte von der Ruhestätte seines großen Vorbildes Fritz Walter entfernt.
Im Museum des FCK können wir dank einer TV-Zusammenfassung des legendären Spieles des 1. FC Kaiserslautern gegen Bayern München von 1973 immer wieder die Spielkunst und die beherzten Torschüsse von Seppl bewundern, der am heutigen 24. Juli 2024 seinen 75. Geburtstag hätte feiern können. Dank einer Leihgabe seiner Ehefrau Sybille Pirrung kann das Museum auch kostbare Auszeichnungen und persönliche Gegenstände des einstigen Publikumslieblings präsentieren.
Auch 13 Jahre nach seinem Tod ist Seppl Pirrung in der FCK-Familie nicht vergessen und gerade an seinem Geburtstag denken wir mit Freude an seine großen Leistungen zurück, mit denen er das Publikum immer wieder zu begeistern verstand.
hw